Geburt
Einige Wochen vor der Geburt des Kindes werden besondere Vorbereitungen für Geburt und Taufe getroffen. Dazu werden Rosinen und Kluntjes in einen Püllpott genannten Steingutkrug in Branntwein eingelegt. Grundlage für dieses als Bohntjesopp bekannte Getränk ist der Oostfreeske Brannwien, eine dem Branntwein ähnliche Mischung. Dieser wird aus Korn und Kartoffeln oder Rüben gebrannt und mit Aroma und Couleur angereichert. Oostfreeske Brannwien gilt als regionale Spezialität. Nach der Geburt wird mancherorts der neue
Erdenbürger den Nachbarn bei einem Rundgang durch den Ort angesagt, was stets mit einer Einladung verbunden ist oder es ziehen Kinder in der Nachbarschaft um und erhalten für das Verkünden der Geburt des Neugeborenen einen kleinen Geldbetrag.
Bei der Feier im Anschluss an die Kindstaufe wird de Sopp an die Taufgäste ausgeschenkt. Ist man mit der Wöchnerin, also der jungen Mutter, nicht so gut bekannt und damit nicht zur Taufe eingeladen, so besucht man sie tagsüber zur Puppvisiet oder zum Kinnertöön, wozu Bohntjesopp gereicht wird. Das Wort Kinnertöön leitet sich aus dem niederländischen tonen für zeigen ab und erklärt den Anlass
des Besuches. Bohntjesopp wurde bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts aus einer Branntweinschale mit einem Tauflöffel für alle Gäste herumgereicht. Seitdem bietet man es einzeln in Gläsern an. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist nicht nur die Puppvisiet Anlass zum Ausschenken der Bohntjesopp, sondern sie wird auch anlässlich von Richtfesten oder Hochzeiten angeboten und ist heutzutage auch
auf Eisbechern zu finden.
„Nu will wi dat Kind even pissen laten.“ Mit diesem deftigen Spruch ließ man in ländlichen Regionen das Neugeborene hochleben.
Kleiner Tipp: im Ostfriesischen Landesmuseum Emden befindet sich eine silberne Branntweinschale oder Brannwienskopp mit Seepferdchenhenkeln des Emder Meisters Jacobus Meinardi Swartte, entstanden zwischen 1774 und 1799.