Die Veränderung von Landschaften durch menschliches Eingreifen, sei es durch Flurbereinigung oder Klimawandel, spiegelt sich zunehmend in künstlerischen Darstellungen wider. Künstler wie Peter Fetthauer abstrahieren natürliche Formen, um die tiefgreifenden Transformationen sichtbar zu machen, die die Landschaft und ihre kulturelle Bedeutung prägen. Projekte wie „Kultour – Innovationen für Ostfriesland (KIO)“ der Ostfriesischen Landschaft thematisieren solche Wechselwirkungen zwischen Natur, Kultur und künstlerischer Interpretation. Sie fördern den Dialog über nachhaltige Lösungen und den sensiblen Umgang mit der Landschaft als kulturellem Erbe, was auch in der Kunst ein zentrales Anliegen bleibt.
Der Holzschnitt „Rapsfeld I“ von 2006 stellt ein faszinierendes Beispiel für die Reduktion und Abstraktion in der Landschaftsdarstellung dar. Mit den Maßen von 30 cm x 41 cm zeigt das Werk eine idealisierte Interpretation einer norddeutschen Landschaft. Fetthauer greift auf eine vierfarbige Holzschnitttechnik zurück, bei der er meisterhaft die Farben und Formen zu einer harmonischen Komposition verbindet.
Im Vordergrund des Bildes erstreckt sich eine grüne Fläche, deren Horizontalität durch parallele rote Linien rhythmisiert wird. Diese Linien, ebenso wie die feinen blauen Striche, verleihen dem Werk eine subtile Bewegung und eine Textur, die dem Auge des Betrachters Raum zur Erkundung bietet. Der Mittelgrund wird von einem leuchtend gelben, länglichen Quadrat dominiert, das eingebettet in das Grün strahlt und als Ruhepunkt im Werk fungiert. Im Hintergrund erhebt sich eine rote Hügellandschaft, die von der Komplementarität zur grünen Farbfläche lebt und dem Bild Tiefe verleiht. Rechts durchzieht eine Reihe von Bäumen die Komposition, deren Äste und Stämme in Rot gehalten sind und die gesamte Szenerie rahmen.
Vor dem Hintergrund heutiger ökologischer und struktureller Veränderungen in der norddeutschen Landschaft regt das Bild zum Nachdenken an. Landschaften wie jene, die im Werk dargestellt werden, unterliegen nicht nur den ästhetischen, sondern auch den funktionalen Eingriffen des Menschen. Flurbereinigungsmaßnahmen der letzten Jahrzehnte haben oft zur Vereinheitlichung und Simplifizierung der Landschaft geführt, wodurch Lebensräume und die kleinräumige Vielfalt norddeutscher Regionen zunehmend verloren gingen.
Die gelben und grünen Flächen erinnern an die charakteristischen Rapsfelder Norddeutschlands, deren Anbau zunehmend durch klimatische Veränderungen beeinflusst wird. Steigende Temperaturen, veränderte Niederschlagsmuster und Extremwetterereignisse stellen die Landwirtschaft vor neue Herausforderungen. Zugleich drohen die Bäume, die im Bild am rechten Rand als ein verbindendes Element zwischen Vorder- und Hintergrund erscheinen, Opfer von Stürmen oder Dürren zu werden. Auch diese Entwicklungen tragen zur Transformation der Landschaft bei, deren Konsequenzen nicht nur die Natur, sondern auch die Kultur und Identität der Region betreffen.
Das Werk gehört zu einer Reihe von Landschaftsgraphiken, in denen Peter Fetthauer die Natur auf ihre zeichenhaften Linien und Farbfelder reduziert. Diese abstrahierte Formensprache ist typisch für Fetthauers künstlerisches Schaffen und zeigt seinen bewussten Umgang mit der Technik des Holzschnitts. Besonders erwähnenswert ist sein kreativer Umgang mit den Druckplatten, deren Farben und Einwalzungen er variabel hält, sodass jedes Exemplar eine gewisse Individualität aufweist.
Peter Fetthauer, der 1963 bis 1967 an der Werkkunstschule Hamburg bei Gisela Bührmann studierte, hat sich als Maler, Zeichner, Graphiker und Bildhauer einen Namen gemacht. Insbesondere seine Holzschnitte und Skulpturen prägen seine Reputation als vielseitiger Künstler. Arbeiten wie „Rapsfeld I“ verdeutlichen Fetthauers Streben nach Klarheit und Ausdrucksstärke durch reduzierte Formen und den bewussten Einsatz von Farbe. Gleichzeitig lassen sie eine tiefe Verbundenheit mit den Landschaften Norddeutschlands spüren. Diese Verbindung erhält vor dem Hintergrund von Klimawandel und Flurbereinigung neue Bedeutung – eine Mahnung an den sensiblen Umgang mit der Natur.
Die Entstehung des Werks in 2006 und seine Schenkung anlässlich des Graphiksymposions 2007 im Kunstpavillon Aurich zeigen Fetthauers Engagement innerhalb der Kunstszene und seinen Beitrag zur kulturellen Bereicherung. Als Mitglied der Holzschneidervereinigung XYLON vertritt er auch die Tradition und Weiterentwicklung dieser historischen Kunstform.
„Rapsfeld I“ ist ein Werk, das durch seine präzise Komposition, seine Farbgebung und seine abstrahierte Formensprache besticht. Es lädt die Betrachter ein, die Elemente der Landschaft neu zu sehen und bietet gleichzeitig eine Hommage an die norddeutsche Natur. Vor dem Hintergrund aktueller ökologischer Herausforderungen wird das Bild zu einer visuellen Mahnung: Es erinnert daran, dass die Landschaft nicht nur Inspiration und Lebensraum ist, sondern auch Schutz und Respekt verdient. Die Verbindung aus technischer Meisterschaft, künstlerischer Sensibilität und einem tieferen Nachdenken über die Zukunft macht „Rapsfeld I“ zu einem bemerkenswerten Beitrag in der modernen Landschaftskunst.
