„Das Meer ist nicht freundlich. Es ist nicht unser Freund. Es kann uns jederzeit verschlingen, ohne einen Moment zu zögern“ (The Sea, John Banville)
Die Farbradierung „Land unter“ von Wulf Hartmann (1941–2011) zeigt eine Wurt, die sich trotzig aus einem aufgewühlten Meer erhebt. Die Perspektive von oben verstärkt die Dramatik der Szene: Weiße, schäumende Gischt umspielt das Ufer, während das Wasser unaufhaltsam gegen die schützende Erhebung drängt. Inmitten der Wurt steht ein reetgedecktes Haus, umgeben von einem Zaun und einem Süßwasserreservoir – ein Sinnbild für Schutz und Selbstversorgung in einer unwirtlichen Umgebung.
Hartmann war ein Künstler, dessen Werke sich intensiv mit der Vergänglichkeit und Zartheit der Welt auseinandersetzten. Seine Kunst war philosophisch geprägt und reflektierte die fragile Balance zwischen Mensch und Natur. Die Darstellung der Wurt in „Land unter“ ist nicht nur eine Hommage an die norddeutsche Landschaft, sondern auch eine Metapher für das menschliche Streben nach Sicherheit inmitten unkontrollierbarer Naturgewalten. Er beschäftigte sich in seinen grafischen Arbeiten häufig mit elementaren Kräften und schuf Bilder, die die Unausweichlichkeit der Natur in den Mittelpunkt rückten.
Das Bild, vermutlich in den 1970er Jahren entstanden, gewinnt heute eine neue Aktualität. Der Klimawandel und der steigende Meeresspiegel bedrohen die Küstenregionen Norddeutschlands zunehmend. Die Wurten, einst als Schutz vor Sturmfluten errichtet, stehen heute sinnbildlich für den Kampf gegen die Naturgewalten, die durch menschliche Einflüsse verstärkt werden. Wissenschaftliche Prognosen zeigen, dass traditionelle Schutzmechanismen wie Deiche und Wurten langfristig nicht ausreichen werden, um die Folgen extremer Wetterereignisse zu bewältigen. Die Küstenregionen werden sich auf neue Strategien des Hochwasserschutzes und der Anpassung an veränderte Umweltbedingungen einstellen müssen.
Hartmanns Werk erinnert daran, dass die Beziehung zwischen Mensch und Natur stets von Anpassung und Widerstand geprägt ist. Die einsame Wurt, umtost von den Kräften des Meeres, wird zur eindringlichen Mahnung: Die Natur ist nicht zu beherrschen – doch wir können lernen, mit ihr zu leben.
Die Radierung ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, welche Mittel Kunst bereithält, um auf Nachhaltigkeit, Klimaschutz und einen wertschätzenden Umgang mit der Natur aufmerksam zu machen. In diesem Zusammenhang ist auch das KIO-Projekt der Kulturagentur der Ostfriesischen Landschaft von besonderer Bedeutung. Es setzt sich gezielt für nachhaltige Ansätze im Kulturbereich ein und zeigt, wie Kunst und Kultur aktiv zur Bewältigung der ökologischen Herausforderungen beitragen können.
