Graphothek der Ostfriesischen Landschaft erhält über 30 Graphiken Nachlass des Norder Künstlers Uwe P. Schierholz
Die Graphothek der Ostfriesischen Landschaft freut sich über rund dreißig Graphiken aus dem Nachlass des Norder Künstlers Uwe P. Schierholz (1951-2022). Christine Kühn-Schierholz, die Witwe des Künstlers, hatte Kontakt mit der Kulturagentur aufgenommen, um die Werke ihres verstorbenen Mannes mittels unserer Graphothek einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Der Buchnachlass des Künstlers (Kunstkataloge, philosophische und historische Fachbücher) wurde übrigens in den Bestand der Landschaftsbibliothek übernommen.
Die Witwe Christine Kühn-Schierholz übergab der Kulturagentur ein Konvolut aus verschiedenen Schaffensphasen des 2022 verstorbenen Künstlers aus Norden. „Frau Kühn-Schierholz hat mit uns Kontakt aufgenommen, weil es ihr ein Bedürfnis ist, dass die Bilder ihres Ehemannes der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden“, erklärte Dr. Welf-Gerrit Otto, Leiter der Regionalen Kulturagentur der Ostfriesischen Landschaft. Genau dies sei auch der Sinn und Zweck der Graphothek.
„Viele der Werke sind waschechte Ostfrisica“, betonte Otto. So zählten unter anderem der Emder Hafen und Ubbo Emmius zu den Motiven der Druckgrafiken. Eine besondere Rolle nehme in dem Werk von Uwe P. Schierholz zudem die Industriekultur ein. Dabei ging es ihm darum, allgegenwärtige Strukturen und Formen der Industrie als Ausgangspunkte seiner Arbeit zu nehmen, sich im Schaffensprozess aber von ihnen zu lösen. „In der Abstraktion vom Gegenstand suche ich nach den primitiven Formen und Rhythmen der Dinge: nach dem, was schon sichtbar ist, bevor der Gegenstand einem Begriff untergeordnet wird“, beschrieb Schierholz seine Absicht. Er wolle mit seiner Kunst den sehr kurzen Moment erfassen, in dem der Blick noch nicht durch begriffliches Denken festgelegt sei. „Ich will den Betrachter inspirieren und ihn zu einem vorerwartungsfreien Sehen anregen“, betonte Schierholz. Von 2000 bis 2021 präsentierte Uwe Peter Schierholz seine Werke in zahlreichen Ausstellungen unter anderem in Frankreich, Russland, den Niederlanden, Litauen, aber auch in ganz Deutschland.
Derzeit arbeitet die Kulturagentur mit Hilfe von Ehrenamtlichen an der Inventarisierung des Bestandes von über 1.000 Werken, um die Kunstwerke wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. „Für die Sichtbarmachung der Kunstwerke suchen wir aktuell noch weitere ehrenamtliche Helferinnen und Helfer“, erläuterte Otto. Es gehe darum, Künstler oder ihre Erben ausfindig zu machen, um Bildrechte für die Online-Nutzung zu klären.
„Es ist noch ein langer Weg, bis wir den Bestand der Graphothek wieder an Privatpersonen zum Aufhängen in der eigenen Wohnung verleihen können“, erklärte Otto. Erste Schritte sei die Kulturagentur aber bereits gegangen. Aktuell befinden sich mehrere Werke aus dem Graphotheken-Bestand von Hildegard Peters als Leihgabe in einer Sonderausstellung im Museum Nordseeheilbad Norderney.
Sebastian Schatz
Industrieansichten Industrielle Strukturen und Formen sind allgegenwärtig. Alles in unserer gewöhnlichen Lebenswelt Sichtbare und alles täglich Benutzte ist industriell hergestellt und in seiner Form gestaltet. Ohne industrielle Produktion ist unser Leben nicht mehr vorstellbar. Von daher liegt die Annahme nahe, dass die Industrie in ganz besonderer Weise Einfluss auf das Lebensgefühl der heute lebenden Menschen hat. Mein Interesse an Industrieanlagen äußert sich zunächst ganz spontan darin, dass ich Lust habe mich dem Gesehenen zeichnerisch anzunähern. Dabei handelt es sich zum einen um Dinge, die im Zusammenhang stehen. Sie verweisen auf folgerichtig ineinander greifende Abläufe und somit auf das Vorhandensein einer inneren Logik. Zum anderen geraten aber auch Dinge in den Focus, die nicht zugeordnet werden können – Liegengebliebenes, Abfall, Schmutz. Neben der Ordnung erscheint die Unordnung. Die Maschinen und Bauten weisen immer deutlich Ge- und Verbrauchspuren auf. Das verweist auf ihre Zeitlichkeit. Obwohl der Gegenstand Ausgangspunkt meiner Arbeit ist, löse ich mich im weiteren Schaffensprozess von ihm. Nicht an seiner Abbildung bin ich interessiert sondern an einem Sehen, dass vor-urteilsfrei Eindrücke aufnimmt. Am Anfang meiner Arbeit steht die Skizze, die ich später im Atelier für meine Arbeit am Druckstock oder an der Leinwand nutze. Dabei konzentriere ich mich auf die gestalterischen Mittel und die Suche nach einer überzeugenden Komposition. In der Abstraktion vom Gegenstand suche ich nach den primitiven Formen und Rhythmen der Dinge: nach dem, was schon sichtbar ist, bevor der Gegenstand einem Begriff untergeordnet wird. Es muss einen, wenn auch nur sehr kurzen, Moment geben, in dem der Blick noch nicht durch begriffliches Denken festgelegt ist. Diesem „ersten Blick“ will ich mich annähern. Ich will den Betrachter inspirieren und ihn zu einem vorerwartungsfreien Sehen anregen. Meine Arbeiten sollen Schaulust bereiten. Ich hoffe damit auch dem Betrachter eine ganz besondere Erfahrung zu ermöglichen: die visuelle Erfahrung seiner eigenen Individualität. Das einzigartige und damit unverwechselbare „Ich“ konstituiert sich nicht im logischen Denken, sondern ist vielmehr eng an unsere Sinnlichkeit gebunden und achtzig Prozent unserer Sinneswahrnehmungen sind Sehen. Uwe P. Schierholz, Norden im April 2012
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