Regionale Kulturentwicklung ist gelebte Zusammenarbeit von Kulturakteuren, Verwaltung, Politik und Bürgerschaft: Sie stiftet Identität, stärkt soziale Bindungen und setzt Impulse für Bildung, Tourismus und Wirtschaft. Kultur ist dabei mehr als ein Standortfaktor und lässt sich nicht auf Reichweiten oder Kennziffern reduzieren – sie ist das Fundament einer lebendigen, demokratischen Gesellschaft. Entscheidend für den Erfolg langfristiger Kulturpolitik sind intermediäre Strukturen, die beraten, vernetzen und vermitteln – nicht als Beiwerk, sondern als Voraussetzung für Wirkung und Langfristigkeit über einzelne Projekte hinaus.
In Ostfriesland nimmt diese Aufgabe die 1991 gegründete Regionale Kulturagentur der Ostfriesischen Landschaft wahr. Ursprünglich vom Niedersächsischen Wirtschaftsministerium finanziell gefördert, hatte sie damals das Ziel, den Kulturtourismus in der Region zu stärken. Die Kernaufgaben der Regionalen Kulturagentur haben sich über die Jahre erweitert und umfassen heute das gesamte Spektrum kultureller Arbeit für Ostfriesland:
Sie entwickelt und realisiert regionale Kulturprojekte in vielfältigen Kooperationen, berät und unterstützt Vertreterinnen und Vertreter aller Kultursparten, begleitet Förderanträge und unterstützt ehrenamtliches Engagement in der Kultur. Diese Beratungs und Vermittlungsfunktion macht die Kulturagentur zur zentralen Anlaufstelle für Kulturtätige und Kulturinteressierte in der Region.
Im Zentrum dieser Netzwerkarbeit steht direkte, verlässliche Kommunikation: Gespräche schaffen Vertrauen, reduzieren Reibung, verhindern Missverständnisse und bringen Menschen ins Handeln. Effizienz durch Beharrlichkeit bedeutet hier, dass regelmäßige, zielgerichtete Kommunikation und kontinuierliche Präsenz bereits mittelfristig weniger Zeit und Ressourcen kosten als rein anlassbezogene Interventionen. Durch beständige Abstimmung werden Entscheidungswege verkürzt, Kooperationen stabilisiert und Projekte nachhaltig umgesetzt. Digitale Werkzeuge unterstützen diesen Prozess, indem sie Informationen zugänglich machen und Abläufe dokumentieren.
Organisatorisch ist die Kulturagentur in die Ostfriesische Landschaft eingebettet, einen höheren Kommunalverband mit Sitz in Aurich, der die Landkreise Aurich, Leer und Wittmund sowie die kreisfreie Stadt Emden umfasst. Als Abteilung der Ostfriesischen Landschaft unterstützt und vernetzt die Kulturagentur folglich kulturelle Aktivitäten in allen vier Gebietskörperschaften. Dadurch übernimmt sie eine verbindende und koordinierende Funktion, die über kommunale Grenzen hinauswirkt.
Die Aufgabenschwerpunkte der sieben Fachabteilungen der Ostfriesischen Landschaft liegen sämtlich in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Bildung. Ein Teil dieser Struktur zu sein, gibt der Kulturagentur besondere Wirkkraft. So stehen ihr der Archäologische Dienst mit Forschungsinstitut, die Landschaftsbibliothek, das Regionale Pädagogische Zentrum, die Gezeitenkonzerte, die Museumsfachstelle mit dem Bereich Volkskunde sowie das Plattdüütskbüro zur Seite. Diese Einrichtungen bringen ihre gewachsenen Netzwerke, ihre wissenschaftliche Kompetenz, ihre Sammlungen und ihre bewährten Vermittlungsformate ein und schaffen damit ein starkes Fundament für gemeinsame Projekte und kulturelle Initiativen.
Im Folgenden werden in aller gebotenen Kürze einige Projekte der Regionalen Kulturagentur vorgestellt, um anschaulich zu zeigen, wie das Prinzip „Effizienz durch Beharrlichkeit“ in der Praxis wirkt: Jede Maßnahme wird als langfristiger Prozess verstanden, der durch kontinuierliche Vernetzung, verlässliche Kommunikation und beharrliche Begleitung von Initiativen zu nachhaltigen Ergebnissen führt.
Ein zentrales Instrument der Kulturagentur ist das Kulturportal KultinO (Kultur in Ostfriesland), das die kulturelle Landschaft der Halbinsel systematisch abbildet: Profile von Akteurinnen und Akteuren sowie Kulturorten werden zusammengeführt, Veranstaltungstermine erfasst und fachliche Inhalte im Magazinteil bereitgestellt. KultinO ist dabei mehr als ein Veranstaltungskalender mit Beiträgen: Für die Kulturaktiven dient es als Koordinations- und Vernetzungsplattform, die Kooperationen initiiert und die Abstimmung von Aktivitäten über administrative Grenzen hinweg erleichtert. Für Kulturinteressierte bietet KultinO die Möglichkeit, das ebenso reiche wie in der Fläche weit gestreute Kulturangebot Ostfrieslands auf vielfältigen Wegen zu entdecken und fördert damit nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch die Teilhabe an Kultur.
Operativ wird das Portal aktiv betreut: eine Mitarbeiterin der Kulturagentur pflegt Einträge, moderiert Anfragen und steht im kontinuierlichen Austausch mit Kulturtätigen und Kulturinteressierten. Diese fortlaufende Betreuung hält das Angebot aktuell, sichert die Datenqualität und erzeugt Anknüpfungspunkte für persönliche Gespräche.
Eine weitere Initiative der Kulturagentur ist das Netzwerk „Jüdisches Leben in Ostfriesland“. Es ging aus dem Arbeitskreis „Reise ins jüdische Ostfriesland“ hervor, der 2013 anlässlich des 75. Jahrestags der Pogromnacht von siebzehn Einrichtungen – darunter neun Museen und nahezu alle ehemaligen Synagogengemeinden – unter der Federführung der Kulturagentur gegründet wurde.
Aus diesem Zusammenschluss ist 2024 die Internetplattform Frisia Judaica entstanden, die seither als Nukleus des Netzwerks fungiert und von einem redaktionellen Team kontinuierlich betreut wird. Die Plattform verbindet Forschung, Erinnerungskultur und aktuelle Diskurse, bündelt Quellendokumente, wissenschaftliche Beiträge und erzählerische Formate und bildet Exkursionen, Vortragsreihen sowie regelmäßige Netzwerktreffen ab.
Durch die fortlaufende Pflege der Inhalte und den beständigen Austausch mit lokalen Akteurinnen und Akteuren werden Anknüpfungspunkte für gemeinsame Projekte geschaffen und digitale Sichtbarkeit in nachhaltige, vor Ort wirksame Maßnahmen überführt. Seit 2023 kooperiert das Netzwerk verstärkt grenzüberschreitend, insbesondere mit Partnern in den Niederlanden und den USA. Auf diese Weise fördert Frisia Judaica Versöhnung, Toleranz und Verständigung in einer pluralen Gesellschaft.
Aktuell setzt die Kulturagentur zudem das auf drei Jahre angelegte Projekt „KulTour Innovationen für Ostfriesland“ (KIO) um, das kulturelle Praxis systematisch mit Klimaschutz, Resilienz und ökologischer Nachhaltigkeit verbindet. Es wird in Kooperation mit der Ostfriesland Tourismus GmbH durchgeführt, womit es an mehrere erfolgreiche kulturtouristische Großprojekte anknüpft, welche die Kulturagentur bereits in der Vergangenheit in dieser Konstellation realisiert hat.
Für die operative Umsetzung wurden seitens der Kulturagentur zwei projektgebundene Stellen eingerichtet, die Steuerung, fachliche Begleitung und kontinuierliche Vernetzung übernehmen. Ziel ist die Entwicklung und Erprobung übertragbarer, praxisnaher Lösungen zum Thema Nachhaltigkeit in Kultureinrichtungen, etwa durch Sensibilisierungsworkshops, die Formulierung betrieblicher Leitlinien für ressourcenschonendes Handeln sowie die Förderung kleiner Pilotvorhaben in den einzelnen Einrichtungen, die sich der Nachhaltigkeitsthematik in inhaltlicher sowie betriebsökologischer Weise annähern.
Das im Rahmen vorheriger kulturtouristischer Projekte bereits etablierte Kulturnetzwerk Ostfriesland — bestehend aus regionalen Museen, Bühnen, Sammlungen und Tourismuseinrichtungen — stellt dabei das erprobte Kooperationsfeld: seine institutionellen Ressourcen, Zielgruppenzugänge und Infrastrukturen ermöglichen kurze Koordinationswege, praxisnahe Testfelder und die skalierbare Verbreitung bewährter Ansätze. Dadurch werden Maßnahmen nicht nur initial umgesetzt, sondern sukzessive konsolidiert und lokal verankert, sodass kulturelle Vermittlung und technische Nachhaltigkeitsstrategien gemeinsam messbare Beiträge zur Resilienz der Region leisten sollen.
Die Kulturagentur ergänzt ihre beschriebenen Vernetzungsinstrumente durch zwei materielle Sammlungen, die Vermittlung und Praxis unmittelbar zusammenführen: die Graphothek und den Kostümfundus. Objekte fungieren hier als greifbare Ressourcen, die handhabbare Zugänge zu Kulturwissen bieten.
Die Graphothek stellt einen Bestand von Grafiken bereit, der Leihgaben, Ausstellungskooperationen und bildungsbezogene Nutzungen ermöglicht. Ehrenamtlich tätige Kolleginnen und Kollegen übernehmen zentrale Aufgaben: Katalogisierung, Digitalisierung und die Klärung von Nutzungs und Bildrechten. Die Kombination aus digitaler Erschließung und persönlicher Beratung macht die Graphothek zu einer buchstäblich anschaulichen Ressource für kulturelle Vermittlung vor Ort.
Der Kostümfundus versorgt Theaterensembles, Vereine und schulische Projekte mit tragbarer Ausstattung und fachlicher Beratung durch eine fest angestellte Mitarbeiterin. Die kostengünstige Bereitstellung der Kostüme senkt Produktionskosten und erhöht die Realisierbarkeit von Projekten in den zumeist ehrenamtlich getragenen Inszenierungen von Laientheatergruppen.
Beide Sammlungen funktionieren als substantielle Netzwerkressourcen: Sie bündeln materielle Infrastruktur, ehrenamtliche Zusammenarbeit sowie institutionelle Kooperationen und liefern konkrete Angebote für kulturpraktische Arbeit in der Region.
Schließlich fungiert auch das vielfältige, eigene Veranstaltungsprogramm der Kulturagentur als Vernetzungsinstrument. Es wird gezielt eingesetzt, um Akteurinnen und Akteure aus unterschiedlichen Arbeits und Interessensfeldern zusammenzuführen und informelle Austauschräume zu schaffen. Die Angebotspalette reicht von Literaturabenden und Fachvorträgen über Theaterstücke und Exkursionen bis hin zu Konzerten und Tagen der offenen Tür, die als Praxisfelder für fachlichen Transfer und partnerschaftliche Erprobung dienen. Selbst Pausengespräche, Busfahrten oder gemeinsame Nachbesprechungen entwickeln sich so häufig zum Ausgangspunkt für neue Kooperationen und Projektideen.
Effizienz durch Beharrlichkeit ist das leitende Prinzip, das die beschriebenen Instrumente und Aktivitäten der Kulturagentur zusammenhält. Intermediäre Strukturen wie KultinO und Frisia Judaica, das KIO Projekt, das Kulturnetzwerk Ostfriesland, die materielle Infrastruktur von Graphothek und Kostümfundus sowie das vielfältige Veranstaltungsprogramm, aber auch die Einbindung in die gewachsenen Strukturen der Ostfriesischen Landschaft, bilden ein ineinandergreifendes System kontinuierlicher Beziehungspflege, andauernden Wissenstransfers und kreativer Räume.
Daraus entsteht eine funktionale Kybernetik. Die einzelnen Instrumente und Netzwerke wirken als miteinander verschränkte Regelkreise, die Informationen, Ressourcen und Erfahrungen quer durch alle Handlungsfelder leiten. Rückkopplungen aus Veranstaltungen, Projekten und Sammlungsnutzungen speisen andere Teilbereiche und stärken so das Gesamtsystem.
Effizienz durch Beharrlichkeit ist das Handlungsprinzip, das dieses kybernetische System steuert — wie der stetige Gezeitenstrom von Ebbe und Flut: ein ruhiger, rhythmischer Wechsel, der nicht drängt, sondern zuverlässig trägt. Auf dieser Basis lassen sich nachhaltige, vor Ort wirksame Kulturangebote entwickeln, die den Transformationsanforderungen der Region nachhaltig begegnen.
Welf-Gerrit Otto































































